Homöopathieforschung

Homöopathie erregt immer wieder die Gemüter. Die Therapierichtung wird in der Fach- und Laienpresse, teilweise auch in Fernsehsendungen, wiederholt – meist jedoch unsachlich – ange-griffen. Die Gegner führen viele unterschiedliche Argumente ins Feld. Das am meisten genannte „Gegenargument“ ist dabei oft die Frage nach der Verdünnung: In der Homöopathie würden demnach oftmals Mittel eingesetzt, deren Verdünnung so enorm sei, dass rein rechnerisch kein einziges Wirkstoffmolekül mehr vorhanden sei. Zudem wird das der Homöopathie zugrunde lie-gende Ähnlichkeitsprinzip kritisch hinterfragt.

In theoretischen Modellen und experimentellen Ansätzen wird seit Jahren der Wirkmechanismus, d. h. die hinter der Wirkung von homöopathischen Arzneistoffen stehenden Prinzipien, untersucht. Hierbei wurden zahlreiche positive Resultate erzielt, ohne dass dies einer breiten Öffentlichkeit bekannt wäre – was durchaus auch an der mangelnden Resonanz der im Allgemeinen eher homöopathiekritischen Medien liegen kann. Auch in den nächsten Jahren wird es Aufgabe der Homöopathieforschung sein, diese und weitere experimentelle Befunde, die für eine Wirksamkeit sprechen, mit geeigneten Theorien erklärbar zu machen.

Neben den Experimenten zum Wirkmechanismus werden seit Jahren auch zahlreiche Studien zur Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel durchgeführt. Kritiker behaupten oft, es gäbe keine positiven klinischen Studien zur Homöopathie, was aber nicht der Sachlage entspricht: Mittlerweile existieren circa 600 klinische Studien, von denen eine Vielzahl positiv verlief und die die Wirksamkeit der untersuchten homöopathischen Arzneimittel belegen.

Im Folgenden geben wir einen Überblick über die wichtigsten in der Homöopathieforschung diskutierten theoretischen Modelle sowie über vielversprechende experimentelle Forschungsergebnisse und Resultate der klinischen Forschung.

1. Erklärungsmodelle und Theorien zum Wirkmechanismus der Homöopathie

1.1 Imprint-Theorie, Clusterbildung und Wassergedächtnis

Vereinfacht gesagt geht es darum, das Gedächtnis des Wassers (bzw. des homöopathischen Verdünnungsmediums wie z. B. Wasser-Alkohol-Gemische oder Laktose) zu erklären. Basis hierfür bildete vor allem die 1967 von Barnard und Stephenson vorgeschlagene Imprint-Theorie (Aufprägungstheorie). Die Theorie beruht auf der Annahme, dass sich ausgehend von der Ausgangssubstanz – trotz zunehmender Verdünnung – im Lösungsmedium lange Polymerketten (kettenartige chemische Verbindungen) bilden, die sich in Abhängigkeit von der jeweiligen Ausgangsarznei spezifisch ausbilden. (Barnard et al., 1967) Ebenfalls unter der Bezeichnung Imprint-Theorie wurden weitere Speichermechanismen diskutiert, die auf anderen Effekten beruhen wie etwa bestimmten Ordnungszuständen der Dipole (Zweifachpole) des Wassers.

Ebenso wurde auch die Clusterbildung (Klumpenbildung) von Wasser diskutiert. Man geht davon aus, dass Wassermoleküle aufgrund ihrer Wasserstoffbrückenbindung größere Untereinheiten ausbilden, sogenannte Cluster, die für die Informationsspeicherung verantwortlich sein könnten. (Luu et al., 1980, 1981, 1982)

Ebenso wurden Modelle vorgeschlagen, die die Imprint-Theorie mit der Clusterbildung verbinden. Inwieweit Wasser bzw. Wasser-Alkohol-Gemische überhaupt Ordnungsstrukturen ausbilden, die stabil genug sind und länger als Sekundenbruchteile bestehen und somit für die Speicherung einer homöopathischen Arzneiinformation verantwortlich sein können, wird immer wieder vermehrt diskutiert. (Jones et al., 1981)

Generell lässt sich sagen, dass bis heute in der Wasserforschung kein theoretisches Modell existiert, das alle Phänomene und Eigenschaften des Wassers hinreichend beschreibt. Viele Eigenschaften des Wassers selbst sind somit noch nicht ausreichend erforscht. Innovative Arbeiten aus dem Bereich der Wasserforschung, wie zum Beispiel die der Gruppe rund um Prof. Gerald H. Pollack, zeigen möglicherweise neue Wege auf, welche Art von stabilen Strukturen im Wasser existieren, die bisher gar nicht erforscht wurden. Pollack konnte zeigen, dass Wasser im Kontakt mit Oberflächen verschiedener Materialien Grenzschichten ausbildet, die verschiedene physikalische Eigenschaften haben. (Pollack, 2018)

1.2 Quantenphänomene

In Bezug auf den Wirkmechanismus der Homöopathie werden auch immer wieder Phänomene diskutiert, die auf Quanteneffekten beruhen bzw. sich an wissenschaftliche Vorstellungen anlehnen, die mit der Quantentheorie entwickelt wurden, einer Theorie, die über die gängigen Vorstellungen der klassischen Physik hinausgeht. Von den theoretischen Physikern Dr. Harald Atmanspacher und Prof. Dr. Hartmann Römer sowie dem Psychologen und Homöopathieforscher Prof. Dr. Dr. Harald Walach wurden hierzu mathematische Formalismen (Formelsysteme) entwickelt, deren experimentelle Umsetzung bezüglich der Homöopathie aber noch in Arbeit ist. (Atmanspacher et al., 2002)

1.3 Nanoforschung

Gerade in den letzten Jahren wird wieder intensiv diskutiert, ob trotz der vielen Verdünnungsschritte bei homöopathischen Hochpotenzen nicht doch von einer verbleibenden Konzentration des Ausgangsmaterials ausgegangen werden kann. (Upadhyay et al., 2011) Bei Untersuchungen mit Methoden, die im Rahmen der Nanoforschung entwickelt wurden, meint man nachgewiesen zu haben, dass sich ab einer bestimmten Verdünnungsstufe eine relativ konstante Konzentration des Ausgangsmaterials in Form von Nanopartikeln (Teilchen in der Größenordnung von ca. 1 bis 100 x 10-9 m) einstellt, was für ein stoffliches Wirkprinzip sprechen würde. Experimentelle Arbeiten hierzu haben vor allem die Arbeitsgruppen um Prof. Jayesh Bellare (Bombay, Indien) und Prof. Iris Bell (USA) vorgelegt. (Chikramane et al., 2010 2012; Bell et al., 2015a&b)

Ebenso wird untersucht, ob möglicherweise die homöopathiespezifische Verschüttelung nach jedem Verdünnungsschritt dafür verantwortlich ist, dass sich die Oberfläche des Verdünnungsmediums beispielsweise durch die Ausbildung von Nanobläschen auf ein Vielfaches erhöht, so dass sich die arzneilich wirksamen Moleküle an den Grenzflächen anlagern können. Dadurch könnten deutlich höhere Stoffkonzentration in den homöopathischen Arzneien enthalten sein als bisher angenommen. Zum experimentellen Nachweis von Nanostrukturen, induziert durch die Verschüttelung, haben der französische Nuklearmediziner Dr. Jean-Louis Demangeat und die Wissenschaftler um Prof. Vittorio Elia (Neapel, Italien) Forschungsarbeiten vorgelegt. (Demangeat, 2010, 2013 & 2015; Elia et al. 2014)

Weitere Hinweise auf die Existenz von Nanostrukturen in ultrahohen Verdünnungen liefern die Forschungsarbeiten der russischen Forschergruppe um Prof. Alexander Konovalov und Dr. Irina Ryzhkina. Interessant bei diesen Arbeiten ist, dass sich die Wissenschaftler generell mit Verdünnungen beschäftigen und ihr primäres Anliegen nicht war, den Wirkmechanismus homöopathischer Arzneimittel zu erforschen. (Konovalov et al., 2014)

2. Experimentelle Forschung zum Wirkmechanismus der Homöopathie

2.1 Experimentelle Forschung zum Ähnlichkeitsprinzip

Die momentan bekanntesten Arbeiten zum wissenschaftlichen Nachweis des Ähnlichkeitsprinzips stammen von den beiden Grundlagenforschern Roeland van Wijk und Fred A. C. Wiegant. Sie untersuchen den Erholungsprozess von Zellkulturen, die zuvor verschiedenen Zellgiften (Arsen oder Cadmium) oder schädlicher Hitze ausgesetzt worden waren. Gemessen wurden vor allem die Konzentrationen der von den Zellen als Reaktion auf die Schädigungen produzierten Stress-Proteine (Stress-Eiweiße). Die Forscher konnten zeigen, dass sich vorgeschädigte Zellsysteme dann schneller erholten, wenn sie erneut mit der schädigenden Substanz in abgeschwächter Form konfrontiert wurden, also entweder erneut leicht erhitzt oder mit verdünntem Arsen bzw. Cadmium behandelt wurden. Diese Versuche liefern erste Hinweise, wie sich das Ähnlichkeitsprinzip präklinisch (am Zellmodell) erforschen bzw. sich physiologisch (bezüglich der biologischen Vorgänge) verstehen lässt. (van Wijk et al., 2006)

2.2 Experimentelle Forschung an potenzierten Arzneien

Physikalisch-experimentelle Methoden

In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche Experimente durchgeführt, um den physikalischen Wirkmechanismus der Homöopathie zu entschlüsseln. Vor allem mit den gängigen spektroskopischen Methoden wurden hochpotenzierte Arzneien mit Placebo verglichen, um Rückschlüsse auf physikalische Unterschiede ziehen zu können. Signifikante Resultate, die mit Raman- bzw. NMR-Spektroskopie (Verfahren, die mit Anregung durch Laserlicht bzw. Magnetismus die Molekülstruktur untersuchen) erzielt wurden, konnten erfolgreich reproduziert werden. Eine ausführliche Übersicht über die verschiedenen experimentellen physikalischen Untersuchungen liefert die Metastudie von Witt (Witt, 2006) sowie der kürzlich unter Beteiligung der Grundlagenforschung von Hevert-Arzneimittel erschienene Review zum Stand der physikalischen Grundlagenforschung (Klein et al., 2018; Tournier et al., 2019). In die qualitative Auswertung dieses Reviews wurden 203 physikalische Experimente eingeschlossen, deren Dokumentationsqualität in vorangegangenen Publikationen von den jeweiligen Reviewern als gut bis sehr gut bewertet wurde. Von diesen 203 Experimenten berichten 73 % von Unterschieden zwischen homöopathischen Aufbereitungen und Kontrollen, wobei nach Meinung der Autoren des Reviews bei vielen Experimenten die experimentellen Qualitätsstandards bei zukünftigen Reproduktionen noch deutlich erhöht werden müssen, um von zuverlässigen Nachweisen sprechen zu können.

Forschung an lebenden Organismen

Ebenfalls statistisch signifikante Ergebnisse bezüglich der Wirkung von hochpotenzierten Arzneien wurden mit Testsystemen erzielt, die mit Pflanzen-, Tier- oder Zellsystemen arbeiten. Hierbei steht weniger im Fokus, wie die Arznei wirkt, sondern vielmehr, ob sich signifikante Effekte nachweisen lassen. Vielversprechende Resultate haben hierzu vor allem die Forschergruppen um Dr. Peter Christian Endler bzw. um PD Dr. Stephan Baumgartner vorgelegt.

Endler forscht vor allem mit Kaulquappen, die randomisiert (zufällig zugeordnet) auf verschiedene Gruppen verteilt und dann verblindet (der Experimentator weiß nicht, welche Gruppe das Arzneimittel und welche ein Scheinmedikament bekommt) unterschiedlich behandelt werden. Diesem Amphibienmodell liegt die Beeinflussung der Entwicklung der Kaulquappe zum Frosch durch die Behandlung mit dem Schilddrüsenhormon Thyroxin zugrunde, welches die Umwandlungsgeschwindigkeit beschleunigt. Endler hat bereits zahlreiche Versuchsreihen durchgeführt, unter anderem Versuche mit potenziertem Thyroxin im Vergleich zu Placebo (Scheinmedikament), die Geschwindigkeit der Metamorphose (Umwandlung) zu beeinflussen. Bei anderen Testreihen wurden zunächst alle Kaulquappen mit leicht verdünntem Thyroxin vorbehandelt und danach entweder mit Placebo oder potenziertem Thyroxin weiterbehandelt. Untersucht werden sollte, ob die Gabe von homöopathisch aufbereitetem Thyroxin die durch das stoffliche Thyroxin beschleunigte Metamorphose wieder aufhebt. Endler et al. konnten zeigen, dass sich die mit einer homöopathischen Hochpotenz behandelten Kaulquappen tatsächlich langsamer entwickelten als die mit Placebo behandelten. (Zausner et al., 2002; Endler et al., 2003; Graunke, 2007; Welles et al., 2007; Lingg et al., 2008)

Mit großem experimentellem Aufwand forscht auch die Wissenschaftlergruppe um den Physiker Baumgartner. Im Fokus stehen ultrahohe Verdünnungen: zum einen in physikalischen Untersuchungen, zum anderen ihre Einflüsse auf In-vivo-Testsysteme. Sehr plausible Ergebnisse, die für eine Wirkung von hochpotenzierten homöopathischen Präparaten sprechen, wurden mit einem Testsystem erzielt, welches aus Kulturen von Wasserlinsen besteht, einem Standardsystem in der Ökotoxikologie (Erforschung von Umweltgiften). Verschiedene Experimente wurden mittlerweile mit diesem Testsystem durchgeführt, wie etwa die Messung des Einflusses von potenzierten Pflanzenhormonen (Gibbereline) auf das Wachstum von Wasserlinsen. (Scherr et al., 2009; Jäger et al., 2010)  Ebenso wurde versucht, die in einen Mangelzustand versetzten Wasserlinsen (Calcium-, Eisen- bzw. Magnesiummangel) mit potenzierten Arzneien zu behandeln. Beim Calciummangel konnten deutliche Effekte homöopathischer Potenzen auf das Pflanzenwachstum beobachtet werden. Aussagekräftige Ergebnisse konnten mit Wasserlinsen auch in einem Intoxikations-Detoxikationsmodell erzielt werden. Hierbei werden gesunde Organismen zunächst mit einer toxischen Substanz vergiftet und dadurch in einen künstlichen Krankheitszustand versetzt. Danach werden sie mit hohen homöopathischen Verdünnungen der gleichen oder einer ähnlichen Substanz randomisiert, verblindet und placebokontrolliert behandelt. Im Anschluss wird statistisch ausgewertet, ob die mit Homöopathika behandelten Proben nachfolgend ein anderes Wachstumsverhalten zeigen, als die mit Placebo behandelten. Vielversprechende Experimente mit diesem Ansatz konnten bereits mit arsenvergifteten Wasserlinsen durchgeführt werden. (Jäger et al., 2011) Durch Unterstützung von Hevert-Arzneimittel konnte dieser experimentelle Ansatz nun auch mit quecksilberchloridvergifteten Wasserlinsen erprobt werden, mit dem Ziel, dieses Modell auch für komplexere Forschungsfragen anwenden zu können. (Jäger et al., 2019) Einen neueren Überblick über alle Pflanzenexperimente innerhalb der Homöopathieforschung liefert der Review von Ücker et al., 2018.

Für die Wirkung von homöopathischen Hochpotenzen sprechen auch die Ergebnisse, die von Bellavite 2009 veröffentlicht wurden. Es handelte sich dabei um ein Experiment, bei dem das Aktivitätsverhalten von Mäusen getestet wurde. Mäuse, die mit Gelsemium behandelt wurden, zeigten gegenüber mit Placebo behandelten Mäusen ein deutlich aktiveres Verhalten. (Bellavite et al., 2009)

3. Klinische Forschung zur Wirksamkeit der Homöopathie

Wie anfangs bereits erwähnt, sind in den letzten Jahren viele hundert klinische Studien mit homöopathischen Arzneimitteln durchgeführt worden. Allerdings waren diese vom Studiendesign, vom homöopathischen Therapieansatz als auch von den verwendeten Arzneimitteln sehr unterschiedlich. Innerhalb der Evidenzbasierten Medizin ist es üblich, mehrere Studien zu einem Behandlungsansatz in Übersichtsartikeln, sogenannten Reviews, in Form einer Metaanalyse zu bewerten. Dies bedeutet, dass die Patientenzahlen bzw. die Einzelergebnisse jeder Studie zusammengefasst und nach vorgegebenen statistischen Kriterien in ihrer Gesamtheit bewertet werden. Dies hat man in der Vergangenheit auch für klinische Studien mit homöopathischen Arzneimitteln durchgeführt. Welche Wege dabei beschritten wurden bzw. welche Problemstellungen damit verbunden sind, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

3.1 Verschiedene Therapieverfahren erschweren die Vergleichbarkeit

Ein generelles Problem der klinischen Homöopathieforschung ist, dass regelmäßig positive Studienergebnisse disqualifiziert werden, da die Studienqualität anerkannten Standards nicht gerecht werde; bei negativen Resultaten dagegen wird grundsätzlich die Wirksamkeit der ganzen Therapierichtung in Frage gestellt, wobei „die Homöopathie“ kein einheitliches Therapieverfahren ist. Bei der „traditionellen“ oder „klassischen Homöopathie“, bei der die genaue Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte und Symptome) des Patienten einen wichtigen Teil der Behandlung ausmacht, werden beispielsweise die Arzneien individualisiert ausgewählt: Folglich wird die Prüfung der Methode nach gängigen Standards der klinischen Forschung zur Herausforderung, da ein bestimmtes Krankheitsbild an einer großen Patientengruppe nicht mit dem gleichen Arzneimittel behandelt wird. Daneben existiert eine Vielzahl weiterer homöopathischer Therapieverfahren wie zum Beispiel die Komplexmittel-Homöopathie, welche den Standards der klinischen Forschung zugänglicher sind. Dementsprechend vielschichtig ist die Studienlage.

3.2 Übersichtsarbeiten zum Stand der klinischen Forschung

In Übersichtsarbeiten, sogenannten Reviews, zum Stand der klinischen Homöopathieforschung wurde in der Vergangenheit meistens die Fragestellung zugrunde gelegt, ob homöopathische Arzneien überhaupt wirken, unabhängig vom Typ der Arznei, der Behandlungsmethode und der jeweiligen Indikation (Krankheit). Es wurden also unterschiedlichste klinische Studien mit homöopathischen Arzneien gemeinsam betrachtet, ohne dabei zu differenzieren. Dementsprechend umstritten sind die großen Reviews, die zur Homöopathie gemacht und breit veröffentlicht wurden.

So veröffentlichten beispielsweise K. Linde und Mitarbeiter 1997 eine Metaanalyse (Übersichtsstudie), in der 89 placebokontrollierte Studien (Prüfung gegen ein Scheinmedikament) ausgewertet wurden, in der international renommierten Ärzte-Zeitschrift „The Lancet“. Das Ergebnis der Metaanalyse war, dass die Homöopathie gegenüber Placebo statistisch nachweislich überlegen ist. (Linde et al., 1997) Zu ebenfalls positiven Ergebnissen, welche die Wirksamkeit der Homöopathie belegen, kamen R. Mathie 2003, der 93 Studien untersuchte, und M. Dean 2004, der in seine Analyse 205 Homöopathiestudien einschloss.

Für Furore sorgte daraufhin 2005 eine Übersichtsstudie von Shang et al., ebenfalls in „The Lancet“ veröffentlicht, die 110 placebokontrollierte Homöopathiestudien mit 110 vergleichbaren Studien konventioneller Therapie verglich. (Shang et al., 2005) Auch wenn letztlich nur 8 Studien zur Homöopathie und 6 Studien zu konventionellen Therapien für gut genug befunden wurden, um von den Autoren ausgewertet zu werden, wurde das für die Homöopathie negative Auswertungsergebnis in den Medien als das „Ende der Homöopathie“ verkündet, da endlich die Unwirksamkeit der Homöopathie wissenschaftlich belegt sei. Die Methodik von Shang et al. bzw. das Vorgehen der Studie ist daraufhin von vielen Seiten massiv kritisiert worden. Es wird weiter stark diskutiert, welche Methoden der Evidenzbasierten Medizin auf die Homöopathie angewendet werden können bzw. inwieweit diese der Homöopathie gerecht werden.

3.3 Neue Ansätze

Mittlerweile geht man bei der Auswertung von klinischen Studien sinnvollerweise mehr dazu über, nicht mehr „die Homöopathie“ als Ganzes auf die Probe zu stellen, sondern kleinere Metaanalysen zu festen Indikationen durchzuführen, da dies eindeutigere Ergebnisse liefert. So gibt es einige positive Metaanalysen zur Wirksamkeit von Homöopathie bei bestimmten Krankheitsbildern. Beispielsweise sprechen die Metaanalyse von Taylor et al. von 2000 sowie die von Lüdtke und Wiesenauer von 1997 für eine Wirksamkeit von homöopathischen Therapieverfahren bei Heuschnupfen. Neben diesen Metaauswertungen existieren noch einige weitere positive Analysen wie zum Beispiel für die homöopathische Behandlung von Weichteilrheumatismus (Boehm et al., 2014) oder lebensbedrohlichem Durchfall bei Kindern (Jacobs et al., 2003).

Ein anderes Vorgehen in Bezug auf die Konkretisierung der Fragestellung von Metaanalysen verfolgt Robert T Mathie mit seinen Co-Autoren. Er hat in den letzten Jahren einige Reviewarbeiten veröffentlicht, die jeweils nur Studien einschließen, denen ein bestimmter homöopathischer Behandlungsansatz (individualisierte oder nicht-individualisierte Verordnung) oder ein bestimmtes Studiendesign (placebokontrolliert oder durch andere Vergleichsmedikation kontrolliert) zugrunde liegen. (Mathie et al. 2014, 2017 & 2018) Mathie et al. legen ihren Metaanalysen bei der Bewertung der einzelnen Studien Vorgaben der Cochrane Collaboration zugrunde, so dass die Ergebnisse als zuverlässige Resultate im Sinne der evidenzbasierten Medizin beschrieben werden können. In diesen Metaanalysen zeigte sich, dass ein Großteil der Studien positive Ergebnisse zugunsten der homöopathischen Behandlung zeigt, aber die Anzahl der qualitativ hochwertigen Studien noch zu gering ist, um eine sichere Aussage machen zu können.

Aus der Erkenntnis heraus, dass die vor allem im Bereich der klassischen Homöopathie individualisierte Behandlung nur schwierig durch die gängigen Standards der Evidenzbasierten Medizin abzubilden ist, versucht man die Effizienz der Homöopathie vermehrt durch Methoden der Versorgungsforschung nachzuweisen. In sogenannten Outcomestudien wird der langfristige Therapieerfolg homöopathisch behandelter Patienten ermittelt. Die größte Outcomestudie unter Einschluss von circa 4.000 Patienten wurde 2005 von Witt et al. veröffentlicht. (Witt et al. 2005) Generell zeigen solche Studien auf, dass sich der Gesundheitszustand der Patienten in signifikantem Maße durch homöopathische Behandlungen verbessern lässt, und oftmals bei chronischen Erkrankungen sogar die konventionelle Medikation reduziert bzw. auf diese sogar ganz verzichtet werden kann. Homöopathiekritiker führen diese Erfolge jedoch ausschließlich auf Placeboeffekte zurück.

4. Ausblick zur klinischen Forschung

Generell lässt sich erkennen, dass der Stand der Forschung bezüglich der Wirksamkeit von homöopathischen Arzneien bzw. Therapieverfahren deutlich besser ist, als es von Kritikern oftmals behauptet wird. Es gibt reichlich wissenschaftliche Literatur, die für die Wirksamkeit der Homöopathie spricht. Auch wenn die Anzahl von einigen hundert Studien auf den ersten Blick sehr viel erscheint, ist sie doch im Vergleich zur Anzahl der publizierten klinischen Studien von konventionellen Therapien verschwindend gering. Hier wäre es wichtig, die bereits erzielten positiven Ergebnisse aufzugreifen, diese zu verifizieren und auszubauen. Dabei wäre die klinische Homöopathieforschung aber auf mehr finanzielle Förderung angewiesen.

Das Hauptproblem liegt darin, dass die klinische Homöopathieforschung bisher fast ausschließlich über Gelder von komplementärmedizinischen Stiftungen bzw. über die homöopathischen Arzneimittelhersteller selbst finanziert wird. Das heißt, dass eine mit öffentlichen Forschungsgeldern unterstützte systematische Erforschung der klinischen Wirksamkeit von homöopathischen Arzneimitteln bisher nicht stattgefunden hat. Dementsprechend wird vielen Homöopathiestudien mangelnde Qualität vorgeworfen, da sie oftmals nicht in der gleichen Dimension (z. B. Anzahl der teilnehmenden Patienten und Kliniken) wie die Studien der konventionellen Pharmaforschung durchgeführt wurden. Da im Bereich komplementärmedizinischer Arzneimittel jedoch die Gewinnmargen deutlich kleiner sind als bei vielen Produkten der konventionellen Medizin, bei der eine Packung eines patentgeschützten Arzneimittels regelmäßig mehrere Hundert Euro kostet, und zudem auch keine Patente für homöopathische Arzneien beantragt werden dürfen, können von den Arzneimittelherstellern nur begrenzt Mittel für die klinische Forschung aufgebracht werden. Besonders für den Bereich der Grundlagenforschung zum Wirkmechanismus potenzierter Arzneien stehen verhältnismäßig wenige Mittel zur Verfügung. Hochqualitative und -dimensionierte Studien, wie sie von Kritikern gefordert werden, sind aber stets auf ein großes Budget > 500.000 EUR angewiesen. Zudem wird der Vorwurf der Beeinflussung der Studienergebnisse durch die sogenannte „Homöopathielobby“ nur schwer zu entkräften sein, solange die Geldgeber der Homöopathieforschung ausschließlich komplementärmedizinisch orientierte Stiftungen und homöopathische Arzneimittelhersteller sind.

Da die Anerkennung der Homöopathie in der Bevölkerung aber sehr hoch ist, wie verschiedene Umfragen gezeigt haben, und Untersuchungen der Versorgungsforschung der Homöopathie positive Effekte attestieren, sollte es auch im öffentlichen Interesse sein, diese Forschung mit öffentlichen Forschungsgeldern vermehrt zu unterstützen.

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